Lösungsskizze „Heimkehr“

 

Inhalt und Aufbau

-          Z. 1-5: Gefühle des Ich-Erzählers nach Rückkehr auf das väterliche, bäuerliche Anwesen, Atmosphäre des Verfalls und der Bedrohung im Hof

-          Z. 6-12: Gefühl der Verunsicherung, Wahrnehmung des Lebens der Familie, wiederholte Fragen, Verweis auf längere Abwesenheit des Sohnes und Infragestellen einer noch bestehenden Beziehung zu der eigenen Familie, implizit Hoffnung auf Empfang durch die Familie

-          Z. 12-16: Überlegung des Ich-Erzählers, zu klopfen, Verharren vor der Küche, jedoch räumliche Distanz, vage Erinnerungen an die Vergangenheit bei der Familie

-          Z. 16-19: Erkenntnis einer zunehmenden Entfremdung von der Familie, Eingestehen der Unmöglichkeit einer Annäherung, selbst bei hypothetischer Kontaktaufnahme durch die Familie

 

Erzählerische Mittel und Sprache

-          Ich-Erzähler, erlebendes Ich => Identifikation mit dem Protagonisten

-          Allerdings: Gefühl der Verunsicherung: Fragen als Stilmerkmal des Textes, Modaladverb „vielleicht“ (Z. 15), Konjunktiv (vgl. z.B. Z. 9 und 11) und explizite Formulierung dieses Gefühls (vgl. Z. 8f., Z. 15)

-          Sentenzenhafte Formulierungen am Ende (vgl. Z. 17f.), die das Schicksal des Protagonisten als ausweglos erscheinen lassen

-          Generell einfacher Sprachduktus, stark reflexiv, innerer Monolog, kaum äußere Handlung => Fokus auf das Seelenleben des Ich-Erzählers

-          Defizitäre Kommunikation als Thema:  „Ferne“ (Z. 13 und 14), „Geheimnis“ (Z. 16 und 19)

-          Symbolik/Chiffren: z.B. Tür hier nicht symbolisch als Schwelle(nmotiv), sondern als nicht überschreitbare Grenze

 

Interpretation

-          Situation des Protagonisten: Gefühl der Verunsicherung, Erkenntnis der Entfremdung und scheinbar auswegloses Schicksal des Ich-Erzählers in der Isolation, Passivität als Folge

-          Durchkreuzen tradierter Vorstellungen von Familie (Geborgenheit, Kommunikation, Freude angesichts der Heimkehr des Sohnes), stattdessen (devotes) Vermeidungsverhalten

-          Unsicherheit des Lesers in Bezug auf Gründe für Trennung und Heimkehr, letztlich unklares Verhältnis zur Familie, Traumcharakter

-          Durchspielen verschiedener Interpretationsansätze (vgl. Material im vorigen Kapitel, Versuch, Motive auf der Bildebene des Textes – im Sinne der Gattung Parabel – zu interpretieren

-          Moderne Aspekte des Textes: Determination, Sinnverlust, Isolation, misslungene Kommunikation, Verweigerung von Sinn etc.

 

Vergleich mit dem Bibeltext

-          Gemeinsamkeiten: Motiv der Heimkehr, Vater-Sohn-Beziehung, parabolische Anlage des Textes

-          Unterschiede: echte Kontaktaufnahme, christliches Motiv des Verzeihens und der Vergebung, Wiedereingliederung in den Schoß der Familie durch den Vater trotz Bedenken anderer Angehöriger, Informationen zur Vorgeschichte, Andeutung einer (positiven) Entwicklung des Sohnes, Einbettung des Textes in einen heilsgeschichtllichen Kontext (Gleichnis Jesu), Sprache: Verzicht auf Fragen, predigender Gestus (des Vaters)


Autor: Andreas Maier, CC BY-SA

Zuletzt geändert: Montag, 26. März 2018, 16:52