Axiome zur Erzeugung der reellen Zahlen
Um die reellen Zahlen sauber zu definieren, bedient man sich der Eigenschaften, die man von diesen Zahlen fordert.
1. Rechenregeln
Wir wollen natürlich mit den Elementen "neuen" Zahlenmenge genauso rechnen können, wie bisher. Es sollen also folgenden Rechenregeln gelten:
Rechengesetze der Addition
\(a+b = b+a\) (Kommutativgesetz)
\(a+(b+c) = (a+b) +c\) (Assoziativgesetz)
\(a+0 = a\) (neutrales Element 0)
Für alle \(x\in \mathbb{R}\) existiert genau ein \(a \in \mathbb{R}\) so, dass \(x+a = 0\). Dieses \(a\) nennen wir \(-x\). (inverses Element)
Rechengesetze der Multiplikation
\(a\cdot b = b \cdot a\) (Kommutativgesetz)
\(a\cdot (b\cdot c) = (a\cdot b) \cdot c\) (Assoziativgesetz)
\(a \cdot 1 = a\) (neutrales Element 1)
Für alle \(x \in \mathbb{R}\) existiert genau ein \(a \in \mathbb{R}\) so, dass \(x\cdot a = 1\). Dieses \(a\) nennen wir \(\frac{1}{x}\). (inverses Element)
Weitere Rechengesetze
\(a+ b \cdot c = a + (b \cdot c)\) ("Punkt vor Strich")
\(a\cdot (b+c) = ab +ac\) (Distributivgesetz)
Potenzgesetze (besondere Schreibweisen)
\(a^n = \underbrace{a \cdot a \cdots a}_{n \text{mal}}\)
\(a^n \cdot a^m = a^{n+m} =\underbrace{a \cdot a \cdots a}_{n+m \text{mal}} \)
\(\left(a^n\right)^m = a^{n\cdot m}\)
\(a^{-1} = \frac{1}{a}\) (negative Exponenten)
2. Axiome der Anordnung
Es gilt entweder \(a<b\), \(a=b\) oder \(a>b\). Aber ein Fall muss eintreten. (vollständige Ordnung)
- Wenn \(a<b\) und \(b<c\), dann gilt auch \(a<c\) (Transitivität)
- Wenn \(a<b\), dann gilt \(a+c < b+c\) für alle \(c \in \mathbb{R}\). (Monotonie der Addition)
- Wenn \(a<b\), dann gilt \(a\cdot c < b \cdot c\), wenn \(c \in \mathbb{R}^+\). (Monotonie der Multiplikation)
Bis hierher waren das genau die Gesetze, die auch schon die rationalen Zahlen \(\mathbb{Q}\) erfüllen.
Jetzt kommt die neue Forderung, die erst \(\mathbb{R}\) erfüllen kann:
3. Vollständigkeitsaxiom
Grundidee:
Wenn man den Zahlenstrahl zerschneidet, z.B. an der Stelle \(\sqrt{2}\), dann hat erhält man zwei Stücke. Betrachtet man aber den Zahlenstrahl als Ort der rationalen Zahlen, dann enthält keines der beiden Teilstücke die Zahl, an der man den Zahlenstrahl zerschnitten hat: Es gibt also Lücken in \(\mathbb{Q}\).
Diese Lücken füllt man auf, indem man die Schnittpunkte beim Zerschneiden, einer der beiden Teilmengen zuordnet.
Die reellen Zahlen beschreiben dann einen Zahlenstrahl ohne Lücken.
Ausführung:
Teilt man \(\mathbb{R}\) in zwei beliebige Teilmengen \(R_1\) und \(R_2\) auf,
für alle \(r_1 \in R_1\) und \(r_2 \in R_2\) gilt: \(r_1 < r_2\),
dann gibt es eine Zahl \(r\) - die Schnittzahl - mit der Eigenschaft
entweder gibt es ein \(r_1 \in R_1\), sodass \(r = r_1\),
oder es gibt ein \(r_2 \in R_2\), sodass \(r = r_2\).
Jede Zahl in \(\mathbb{R}\) kann man als solch eine Schnittzahl auffassen.
Diese Idee fand Richard Dedekind im Jahre 1872 und wird ihm zu Ehren als Dedekindscher Schnitt bezeichnet.